Belletristik

Maxim Leo: Haltet euer Herz bereit

Im Heyne-Verlag ist 2011 die Taschenbuchausgabe einer deutschen Familiengeschichte erschienen: „Haltet euer Herz bereit“. Der Autor und der Verlag ordnen sie als eine typisch ostdeutsche Familiengeschichte ein, doch tatsächlich greift die Geschichte die Wurzeln der Familie Leo im III. Reich und ihre Entwicklung bis zur Wende auf.

Der Autor Maxim Leo, Erzähler der Geschichte seiner Familie, zum Erzählzeitpunkt etwa 40-jährig, nimmt eine neue Rolle an: Er wird Familienforscher. Nach dem Schlaganfall seines Großvaters Gerhard, eines Resistance-Kämpfers und späterem Geheimdienstmitarbeiters, kehrt sich dessen Persönlichkeit scheinbar um. Alles Rationale ist blockiert, die Gefühle aber sind aktiv, das Sprachzentrum ist gelähmt. Es gibt dort im Krankenhaus, wo ihn sein Enkel Leo besucht, keine Monologe über den Sieg des Sozialismus mehr. 18 Jahre nach dem Mauerfall versinkt die DDR-Geschichte des Erzählers endgültig im Niemandsland. Dieses Erlebnis wird zum Auslöser dafür, nach Hintergründen für den Untergang der DDR zu suchen, die sich auch in der eigenen Familie zeigen.

Maxim Leo hat zwei Großväter wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Während sein Großvater Werner sich anpasst und schließlich auch als Wehrmachtsoffizier in den Krieg geschickt wird und in französische Gefangenschaft gerät, flohen die jüdischen Urgroßeltern aus Deutschland und ihr Sohn Gerhard kämpft in der Resistance gegen Hitler. Der eine kehrt siegreich aus Frankreich heim mit der Gewissheit ein besseres Deutschland aufzubauen – der andere wird in ein französisches Kriegsgefangenenlager geschickt und weiß nicht was ihn erwartet. Noch sind sie keine Familie.

Die Gegensätze spiegeln sich aber auch in Leo Maxims Eltern. Seine Mutter, Journalistin ist überzeugtes Parteimitglied, sein Vater eher provokanter Künstler. In die politischen Auseinandersetzungen wächst Maxim Leo hinein. Er hat Eltern, die wirken als stammen sie aus der 68-er Bewegung. Sie sind modern. Er soll sie Anne und Wolf nennen, was er auch im Buch konsequent tut, aber lieber hätte er stinknormale Eltern gehabt, die er „Mutti“ und „Vati“ hätte nennen dürfen. In seiner Familie wird er zum gutbürgerlichen Spießer, denn seine Eltern waren das nie. Maxim muss erleben, wie seine Generation zwar um die Träume der Eltern- und Großelterngeneration weiß, aber nicht mehr daran glauben kann, dass die DDR sie erfüllen wird. Er wendet sich 1989 der Bürgerbewegung zu und muss sich als feige erleben, als er kurzzeitig festgenommen wird. Die über die DDR hereinbrechende Wende und BRD erlebt er fast ohnmächtig. „Haltet euer Herz bereit“ ist eine Aufarbeitung, mit der er sich aus seiner Starre zu befreien sucht. Es ist eine Familiengeschichte und politische Auseinandersetzung, die durch eine Vielzahl von Alltagsdetails, durch einen lakonischen Erzählstil und ihre große Ehrlichkeit lebt.