Jürgen Schreiber: Ein Verräter wie er

Hinrichtung eines Verräters durch die Guillotine – dabei denkt man wohl kaum an das Millieu der DDR zu Ende der 1960iger Jahre. Und doch gehört diese Strafe dorthin. Der renommierte Journalist Jürger Schreiber stellt dieses Ende eines Menschen an den Beginn einer spannenden Justiz- und Stasi-Geschichte, in deren Mittelpunkt eine reale, kaum bekannte Person steht. Es ist der viermalige Familienvater und Stasi-Major Hellmut Scheithauer. Scheithauer wuchs unter ärmlichen Verhältnissen nach dem Krieg auf und machte bei der Stasi-Karriere, die ihm schließlich auch ein luxuriöses Leben mit Gütern aus dem Westen ermöglichte. Vor allem, nachdem er zwei ihm unterstellte junge Männer aus Nicaragua um einen großen Teil ihres Agentenlohnes betrog. Als sie unbequem zu werden drohten, lockte er sie in einen Hinterhalt und brachte sie um. Den Kollegen der Stasi gaukelte er vor, sie hätten sich wohl gänzlich in den Westen abgesetzt und das erschien diesen glaubhafter als ein Mord durch einen der ihren. So gab sich Scheithauer auch keine zu große Mühe, die Leichen großartig zu verstecken. Acht Jahre wurde dem Verschwinden nicht nachgegangen bis ein zufälliger Knochenfund die Geschichte ins Rollen und Scheithauer nach Leipzig unter die Guillotine brachte. Auch jetzt am Ende wurde Scheithauer Doppelgesichtigkeit noch einmal deutlich, als er seine Frau bat, seine Kinder zu wertvollen Menschen zu erziehen.

Aber da in der Führungsriege der DDR nichts sein durfte, was nicht sein kann, wurde auch die Tat von Scheithauer sowie sein Ende vor der Öffentlichkeit verborgen. Erst die Offenlegung der Stasi-Akten nach dem Mauerfall ermöglichten es Schreiber, 9000 Seiten Akten zu studieren und uns das Psychogramm eines gierigen Materialisten zu schildern. Im Rahmen des Sachbuchs schreckt der Journalist auch vor Wertungen und sprachgewaltigen Bildern nicht zurück, die er den detailreichen Fakten an die Seite stellt.

Ein Buch für alle, die an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte interessiert sind und 336 Seiten in einem Rutsch weglesen. Es ist im Sommer 2019 im Verlag Droemer-Knaur für 19,99 Euro erschienen.

 

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