Belletristik

Elisabeth Herrmann: Die letzte Instanz

Krimifreunde kennen Elisabeth Herrmann vor allem durch „Das Kindermädchen“, ihren zweiten Kriminalroman mit historischem Hintergrund, der bester deutschsprachiger Krimi des Jahres 2005 wurde. Berliner kennen sie (auch) als publikumsnahe Lokalreporterin der „Abendschau“ des rbb. U.a. die Polizeiberichte, die sie recherchierte oder zur Kenntnis nahm, inspirierten sie zu ihrem 2009 bei List erschienen Krimi „Die letzte Instanz“.

Erich Kästner schrieb: „Nach dem Happy End wird gewöhnlich abgeblend’…“, aber nach dem Ende eines Strafprozesses wühlen die offenen Fragen die Autorin und die (Angehörigen der) Opfer oft immer noch auf. Das nimmt Elisabeth Herrmann zum Ausgangspunkt für ihren Berlin-Krimi, dessen Vorspiel etwa im Jahre 2000 in Berlin liegt. Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Verbrechen zur Anklage gebracht: ein tot gefahrenes Kind, das ein LKW-Fahrer ohne Dobli-Spiegel nicht sehen konnte; den Einbruch einer drogensüchtigen Tochter in ihr Elternhaus, bei dem sie vom eigenen Vater aus Notwehr erschossen wird; eine Altenpflegerin, die einen Patienten tötete u.a. Haben diese Jahre zurückliegenden Vorgänge etwas mit den Schüssen auf den harmlosen Obdachlosen Hellmer zu tun? Oder hat die Prospektverkäuferin etwas mit dem plötzlichen Tod des Großinvestors Vedder zu tun? Die Recherchen des eher erfolglosen Anwalts Joachim Vernau führen ihn zu einem Kreis lange zurückliegender Verbrechen und er muss feststellen, dass die in den Augen der Angehörigen eher mild bestraften Täter bei merkwürdigen Unfällen ums Leben zu kommen scheinen.

Elisabeth Herrmanns Krimi wird getragen durch einen dramatisch überspitzten Plot und vor allem von der sympathischen Hauptfigur des Joachim Vernau, der auch bereits in den vorangegangenen Krimis der Autorin die Hauptrolle spielte. Mit diesem Buch aber scheint sie ihm noch näher zu kommen. Denn neben seinen Ermittlungen lässt sie ihn hoffnungslos dem Charme der couragierten, aber berechnenden Staatsanwältin Salome Noack verfallen. Sie gehört einer ganz anderen Liga an als Vernau mit seiner Partnerin Marie-Louise, die in einem abbruchreifen Haus eine vermöhlte Kanzlei führen und deren Klienten kurz vor dem Prozess das Zeitliche segnet. Voller Selbstironie schildert der Ich-Erzähler Vernau auch seine Gefühle in Bezug auf die Kluft zwischen dem Luxus der Ku’damm-Anwälte und seiner Kanzlei, in der Marie-Louise bestenfalls kostenlose Rechtsberatungen für Greenpeace-Anhänger tätigt. Gerade Salome Noack, die mehr in die ehemaligen Todesfälle verstrickt scheint als sie zugeben will, könnte ihm die Tür in die gutbürgerliche Welt öffnen, wenn es sich nicht zugleich auch irgendwie falsch anfühlen würde…