Wolf Wagner: Kulturschock Deutschland
Das Auseinanderklaffen von wirklicher und gefühlter Einigung ist Anlass und Thema des vollständig überarbeiteten Buchs von Wolf Wagner Kulturschock Deutschland. Wagner vollzieht das extreme Auf und Ab in den deutschen Beziehungen nach: das verfälschte Bild, das Ossis und Wessis vor der Vereinigung voneinander hatten; die völlig „undeutsche“ Euphorie zur Grenzöffnung; die erneute Distanz nach der Vereinigung, die aus den Enttäuschungen voneinander in beiden Teilen des wiedervereinigten Deutschland entstand. Wagner führt die U-Kurve des Antropologen Kalvero Oberg (von 1960!) ein, und prägt den Begriff Kulturschock für das wechselvolle Verhalten und Erleben der jeweils anderen Seite. Dass Obergs Phasenmodell als letzte Phase die Verständigung beider Seiten beschreibt, der eine gewachsene Kulturkompetenz der Bürger bescheinigt, ist die positive Utopie für all die Missverständnisse, die Wagner sehr detailliert und auch persönlich nachzeichnet.
„Kulturschock Deutschland“ ist populärwissenschaftlich gut lesbar, gerät dem Autor aber zunehmend erzählerisch weit und ob die Ostdeutschen Bürger als Alternative zur ihnen abverlangten „Anpassung“ nach dem Einigungsvertrag die „Gewöhnung“ an die Brüder und Schwestern im Westen sehen, darf bezweifelt werden.