Belletristik

Paulo Coelho: Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt

Den Jakobsweg, den bekanntesten europäischen Pilgerweg, hat wahrscheinlich erst Paulo Coelho wirklich berühmt gemacht. Mit Paulo Coelho selbst und seinem Schreiben scheint es ähnlich zu sein. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er erst spät und zunächst unbeachtet. Sein erstes Buch ließ er selbst drucken. Jahrzehnte später sind sein „Alchimist“ oder „Veronika beschließt zu sterben“ Kultbücher, weil sie die Leser darin bestärken, ihrem Lebenstraum zu folgen und damit dem eigenen Leben Sinn zu geben.

Nun gibt es mit dem vorliegenden Erzählband „Sei wie ein Fluss…“ auch eine Sammlung für Freunde der kurzen literarischen Form. Sie ist untertitelt „Neue Geschichten und Gedanken 1998 – 2005“. Tatsächlich rückt Coelho den Gedanken in den Mittelpunkt seines schmucklosen Erzählens. Er berichtet von seinen Reiseerlebnissen und von dem, was Freunde aus aller Welt ihm zutragen. Dabei greift er auch Überlieferungen auf und erzählt hier parabelhaft. Coelho berichtet von einfachen und besonderen Menschen, die immer wieder über sich hinaus wachsen. Manchmal braucht es dazu einen zweiten Anlauf wie bei einem Reisenden, der einer Bettlerin ein Almosen bei der ersten Begegnung ein Almosen verwehrte und danach keine Ruhe findet, bis er sie aufstöbert und es ihr in die Hand drücken kann. Wir lesen von Autoren, die vor einem großen Auditorium nach den richtigen Worten suchen oder von Großmüttern, die den Jungen empfehlen, wie ein Bleistift zu sein und Spuren zu hinterlassen. Coelho zeigt eine Welt, in der es nichts Unscheinbares gibt, wenn man dem Leben mit Respekt begegnet. Und das ist es vielleicht, was seine Leser an ihm immer wieder anzieht. Sie wollen über sich selbst hinauswachsen, indem sie lernen, dem Alltäglichen seinen Sinn zu stiften. Coelho predigt nicht nur Toleranz und Demut, er führt sie vor, indem er Geschichten aus allen Erdteilen und Religionen gleichrangig aneinanderreiht oder indem er „Statuten für das neue Jahrtausend“ entwirft.

Das anstehende Weihnachtsfest könnte besinnliche Stunden bieten, in denen man in Coelhos Geschichten liest, sie guten Freunden oder philosophisch orientierten Lesern mitbringt.