Belletristik

Henky Hentschel: Die Hunde im Schatten des Mandelbaums

Ab und an meint man, dass auch ein Buch sich nicht ganz wohl fühlt in seiner Haut. So geht es mir mit dem wunderbaren Büchlein „Die Hunde im Schatten des Mandelbaums“, das in diesem Herbst als Gulliver-Taschenbuch erschienen ist mit einem empfohlenen Lesealter ab 12 Jahren. Sicherlich können Kinder es ab 12 Jahren lesen und vielleicht gibt es sogar mehr Kinder, die an Hundegeschichten interessiert sind als Erwachsene. Doch letzteren sei gesagt, sie lassen ein literarisches Kleinod liegen, wenn sie nur auf den orangenen Kinderbucheinband achten.

Henky Hentschel scheint selbst der Ich-Erzähler dieser Handvoll Hundegeschichten zu sein. Nach Studium und Job wandert er auf eine kleine italienische Insel aus, die gerade erst den Tourismus und das große Geld entdeckt hat. Indem er dort nach alter Tradition Ackerbau betreibt, wird er für die ersten Jahre zu einem merkwürdigen Außenseiter. Aber die Jahre, die er auf seinem Stück Land – und vor allem mit seinen Hunden – verbringt, machen aus ihm auch einen anderen Menschen. „“…fünf Jahre ohne einen einzigen langweiligen Tag…Ich hatte einstecken gelernt, und ich hatte gelernt, was Arbeit ist. Innen war ich weicher geworden und außen härter.“ Zwischen diesen grundlegenden Standpunktbestimmungen erzählt Hentschel unprätentiös von den Hunden, die er sich hält und mit denen er in einer ebenso abenteuerlichen wie innigen Vertrautheit lebt. Er akzeptiert jeden seiner Hunde als die Persönlichkeit, die er ist und muss trotzdem versuchen, sie für das Leben mit sich zurecht zu biegen. Er muss dem reumütigen Tiger das Jagen seiner Hühner abgewöhnen und den verflohten Codo überzeugen im Meer zu baden. Und nie weiß der Leser genau, wer dabei mehr leidet, er selbst oder der Hund. Und immer dann, wenn alles in den rechten Bahnen zu laufen scheint zwischen Mensch und Tier, heißt es abrupt Abschied nehmen.

Henky Hentschel erzählt Hundegeschichten, wie wir sie lange nicht mehr gelesen, vielleicht noch nie gelesen haben. Denn zugleich erzählt er von Individualität und Menschlichkeit ohne dass er dies als solches benennen muss. Dass sein Büchlein in einer Jugendbuchreihe erschienen ist, zeigt einmal mehr, wie falsch wir liegen, wenn wir glauben, Jugend- und Erwachsenenliteratur trennen zu müssen.