Kinderbuch 0-8 Jahre

Nikolaus Heidelbach: Die Märchen der Brüder Grimm

Es gibt wahrscheinlich kaum einen Haushalt, in dem nicht eine Ausgabe der Grimmschen Märchen zu finden ist. Der Erfolg der Gesamtausgaben durch die Jahrhunderte wurde zu einem nicht geringen Teil auch von den Illustratoren bestimmt. Selbst die Bilder längst verstorbener Graphiker wie Richter, Ubbeohde oder Koser-Michaelis sind den heutigen Lesern noch bekannt und verbinden sich scheinbar untrennbar mit den Grimmschen Märchen. Einem Klemke gelang es, eigene Akzente dagegen zu setzen. Und nun tritt ein Maler an, den man unweigerlich mit der modernen Kinder- und Jugendliteratur verbindet: Nikolaus Heidelbach. Ob das die Grimmschen Märchen vertragen? fragt man sich unweigerlich. Die Wertung vorweg: Und wie sie es vertragen! Dem Verlag Beltz & Gelberg ist ein repräsentativer Prachtband gelungen, der unbedingt auf die klassischen Gabentische gehört, zumal er jetzt als preisgünstige Sonderausgabe für 19,90 Euro zu erwerben ist. Heidelbach hat 150 Detailstudien, Szenenbilder und durchgearbeitete Bildkompositionen für den Kilo schweren Band erarbeitet.

Heidelbach behält seinen unverwechselbaren Stil mit seiner Vorliebe zu den gedeckten Braun- und Grüntönen bei. Viele der Märchenhelden kommen dabei in einem Gewand daher, das man eher dem Deutschland der Nachkriegszeit zurechnen würde als dem Märchenreich. Dadurch wirken sie realistischer, bleiben zugleich aber auch ein wenig Fremde, die den Blick des Betrachters in ihre Gesichter geradezu herausfordern. Oft sind es dabei auch die Nebenfiguren, mit denen Heidelbach die Kommunikation eröffnet. So die Eltern von Hänsel und Gretel, nachdem die Kinder fort sind oder der Prinz mit Aschenputtels Schuh in der Hand. Die gängigen Figuren wie Rotkäppchen entzieht Heidelbach eher dem Austausch mit dem Betrachter und zeigt es von hinten. Auch mit den dunklen Accessoires der Märchen geht Heidelbach offen um: Totenschädel, Messer und Äxte werden nicht um des lieben Märchens Willen versteckt, sondern stehen gleichberechtigt neben den diffizil ausgestalteten Kronen und Ringen.

Heidelbach reiht sich mit seinen Illustrationen in die Schar jener, die auch und gerade heute noch dafür plädiert, dass Kinder Märchen brauchen, Märchen allerdings nicht nur für Kinder erzählt wurden. Seine ungewohnten Gestaltungen lassen auch den erwachsenen Betrachter innehalten und sich fragen: Kenne ich dieses Märchen eigentlich? Wie ging es noch mal? Und fordern so Kinder und Erwachsene zum Lesen heraus.