Belletristik

Ludwig Kramer: Unbeglichene Rechnungen

„Die wahren Schwierigkeiten kündigen sich häufig eher lautlos an. Im Augenblick der Kollision der Titanic mit dem Eisberg hatten die Passagiere auch nur ein leichtes Zittern des Schiffes gespürt.“ Was für eine Metapher für einen Krimi, in dem es um nichts Geringeres als um einen Serienmörder geht! Ein Rächer trennt Ehebrechern die Köpfe vom Rumpf und sendet sie mit dem Hinweis „Untersuchungsmaterial“ einer Berliner Mordkommission unter Leitung von Oswald Blohm. Blohm ist erfahren und respektlos. Vor allem kennt er sich im Moloch Berlin aus. Er weiß, dass die Mordfälle hier so unterschiedlich sind wie die Leute, auf denen er in seinem Fall trifft: auf die einsamen Rentner, die gestressten allein erziehenden Mütter oder die aufstrebenden Yuppies. Blohm und seine Kollegen sind Helden des Alltags, auch und gerade weil sie scheitern und sich irren dürfen. Aber ihr notorisches Misstrauen führt sie immer tiefer hinein in einen Fall, der die Moral einer Metropole wiederherstellen möchte, sie aber zugleich immer tiefer in den Abgrund reißt.

Wie in jedem guten Krimi sind es nicht die Grausamkeiten, die den Roman ausmachen, sondern vor allem der Blick auf den Ermittler. Blohm merkt wie ihn der Fall an seine Grenzen treibt. Und was noch unangenehmer ist, die junge Kollegin, die er sich an die Seite geholt hat, merkt es auch. Und der Killer hat es nicht nur auf seine Ehebrecher abgesehen, sondern nimmt auch Blohm ins Visier.

Ludwig Kramer (geb. 1959) legt in „Unbeglichene Rechnungen“ sein Debüt vor, von Hause aus ist er Sozialpädagoge. Vielleicht gelingt es ihm gerade dadurch so direkt, unprätentiös und mit trockenem Humor zu schreiben. Außerdem weist er auf seinen Mentor in Sachen Polizeiarbeit, Achim Lazai, hin, dem er das Fachwissen verdankt ohne das übliche Polizistendeutsch zu übernehmen. „Unbeglichene Rechnungen“ ist 2006 in der Dahlemer Verlagsanstalt erschienen.