Belletristik

Herta Müller: Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt

Herta Müller gehört zu den wenigen Autoren Osteuropas, die sich in der Bundesrepublik mit politischer Gegenwartsliteratur einen Namen machen konnten. Der Rotbuch-Verlag gab 2006 noch einmal ihr Buch „Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt“ heraus. Obwohl es bereits vor der Wende (1986)erschien, liest es sich 20 Jahre danach ebenso bedrängend wie zuvor. „Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt“ zitiert ein rumänisches Sprichwort, das für die Unbeholfenheit des Menschen steht. Eine Erfahrung, die jeder von uns gemacht hat, die aber in Herta Müllers Kontext eine lebensbedrohlich bedrückende Dimension annimmt. Der deutschstämmige Windisch, aus einem kleinen rumänischen Dorf, hat einen Ausreiseantrag gestellt. Von dieser Perspektive wird das Geschehen im Dorf um ihn beleuchtet. Das beginnt damit, dass andere vor ihm einen Ausreiseantrag stellten und Nachrichten über ihre Situation nach Rumänien sickern. Das führt darüber, dass der Antrag nicht für sich steht, sondern die Ausreisewilligen gepresst werden, Ernte und Besitz abzuliefern oder sogar die Tochter an die Miliz vermitteln, ohne zu wissen, ob die eingeforderten „Gaben“ die Bearbeitung des Antrags garantieren. Windisch erlebt wie der Kürschner, der den Antrag nach ihm stellt, lange vor ihm ausreist und setzt sich mit dem Nachtwächter auseinander, der weder in der kargen Heimat noch im reichen Deutschland an eine Perspektive glaubt.

Herta Müllers Buch ist voll von schmerzlichem Abschied. Ein Abschied, der zugleich die schärfste Anklage darstellt; ein Abschied, der immer aufs Neue beginnt und nie endet. Ja, selbst noch nachdem die Menschen einen Ausreiseantrag gestellt haben, geht es ihnen um Gerechtigkeit.

Müllers poetische Stärke liegt in den kurzen Blicken, die sie auf die Situation wirft und mit denen sie, wie man herkömmlich sagt, Land und Leute charakterisiert. Nur dass diese Charakteristik mehr Bitterkeit enthält als bei uns üblich. Dass sie tief in das von der Natur geprägte bäuerliche Leben schaut und es an die Politik koppelt. Sie spürt der Bitterkeit im Aberglauben nach und wirft sie in die Dialoge der Personen.