Jürgen Busche / Christine Eichel: Von Bücherlust und Leseglück
Bibliotheken üben eine unglaubliche Faszination auf jeden Literaturfreund aus. Und wenn Prominente einen Blick in ihre Bibliothek gewähren, so gewähren sie damit wahrscheinlich einen weit intimeren Einblick in ihr Leben als durch noch so eine persönliche Beichte in einem Interview der Boulevardpresse. Private Bibliotheken künden von Lebens- und Lesezeit, die man mit den Büchern verbracht hat. Was in ihnen „konserviert“ wurde, hat das Ich geprägt.
Über den Umweg „Bibliothek“ erlaubten Walter Kempowski, Claus Peymann, Kardinal Lehmann, Bastian Sick, Marianne Birthler u.a. de Cicero-Redakteuren Christine Eichel und Jürgen Busche und nun auch uns einen Blick in ihr Leben.
Die Portraitserie wird abgeschlossen durch ein Interview mit Elke Heidenreich mit dem programmatischen Titel „Frau lesen anders“. Sie portraitieren auch anders, möchte man fast anfügen. Vor allem Christine Eichel gelingt es bei den Bibliotheksbesuchen, immer wieder
den Blick deutlich aufs Ganze ihres Besuchs zu lenken. Auf Juli Zehs Katze zum Beispiel (zu ihrem Tod gab’s doch mal eine Geschichte erinnert man sich) oder auf die melancholische norddeutsche Landschaft in der Haus Kreienhoop von Walter Kempowski liegt. Und solcher Blick bleibt auch erhalten, wenn gerade Christine Eichel sich den Besuchten und ihrer Bibliothek zuwendet. Sie lässt die Portraitierten erzählen und der Leser bemerkt, wie da laut Untertitel „kluge Köpfe“ zu ihren Büchern aufschauen. Zeitgeschichte fließt ein und der Leser merkt, wie schwimmend die Grenzen verlaufen zwischen Prominenten, Bücherwelt und Zeitgeschehen. Ihr Kollege, der zu der Serie anregte, bleibt sachlicher den Bibliotheken zugewandt und scheint die Gesamtausgaben stärker zu zählen. Das Begeistert-Sein, von dem Elke Heidenreich spricht, die Weitergabe von Gefühl liegt auch Christine Eichel.
Reizvoll machen den Band natürlich vor allem die Fotos, die manchmal einen ganzen Abschnitt der Bibliothek, manchmal auch nur einen kleinen Ausschnitt eines Regals einfangen. Trotz ihrer Bildschärfe sind eher die Verlagslogos deutlich zu erkennen, seltener die Buchtitel. Doch gerade das übt auf den Betrachter einen unwahrscheinlichen Sog aus: ‚Das Buch kenne ich doch, habe ich das nicht auch bei mir zu stehen?’ Und obwohl die Portraitierten im Gespräch manche Erstausgabe hervorheben, stellt man beim Betrachten dieser Bilder verwundert auch den ästhetischen Reiz von Taschenbüchern fest.
Jedes Portrait wird mit einem kurzen biografischen Statement eröffnet. Danach folgt schon fast in essayistischer Ästhetik der Besuch Kurz bevor sich die Kapiteltüren zur privaten Bibliothek schließen, geben ihre Besitzer uns noch eine Handvoll Lesetipps mit auf den Weg. Vielleicht werden sie zum Grundstock für einen neuen Zweig unserer eigenen Bibliothek?
„Von Bücherlust und Leseglück“ schließt sich an Titel wie „Mit Büchern leben“ oder „BücherWelten“ an, findet aber durch die portraitierten Zeitgenossen und deren Entwicklung doch sein ganz eigenes Thema.