Horst Stobbe: Glück im Unglück – Mein Lebensweg (Autobiographie)
Ich habe auf diese Autobiografie gewartet.
Mein Doktorvater, Professor Dr. Horst Stobbe, beschreibt sein Leben als Zeitzeuge in der Zeit von 1920 bis zu seinem 90. Geburtstag 2010.
Er erlebt die Hitlerzeit mit zweitem Weltkrieg, die Nachkriegszeit und den Wiederaufbau aus dem Nichts, die Teilung Deutschlands, die im kalten Krieg versank und die Wende mit der Wiedervereinigung sowie deren Folgen. Darüber schreibt er aus seiner persönlichen Sicht.
Ausführlich reflektiert er seine Kindheit und Jugend in Schlesien. Das weckt in mir Erinnerungen an frühere Urlaube im heute polnischen Riesengebirge.
Das Wort „Glück“ bezieht er auf mehrer Lebensumstände: Auswahl der richtigen Schule, die Entscheidung zum Arztberuf mit dem erfolgreichen Verlauf bis zur harmonisch scheinenden familiären und persönlichen Situation.
Das große „Unglück“ empfindet er durch das entsetzliche Kriegserlebnis und später durch den „Versuch einer Indoktrination durch eine politische Kaste“.
Der Autor berichtet über seine erste Anstellung nach dem Staatsexamen in dem Stadtkrankenhaus St. Georg in Leipzig in der Nachkriegszeit. In diesem Krankenhaus wurde (wie in vielen Einrichtungen auch) mit großem Einsatz am Wiederaufbau der Einrichtung und der Behandlungsmethoden unter dem bekannten Arzt Professor Seyfarth gearbeitet.
Ab 1953 folgt dann sein Wirken an der Charite in Berlin, bis zu seiner Emeritierung 1985.
Hier erfährt der Leser über die Zeit mit dem berühmten Theodor Brugsch, über Vorgänge in der Charite, z.B. das Ausscheiden von Sauerbruch, Umgang mit den Ärzten aus dem dritten Reich, die sich politisch hervor getan hatten. Und natürlich über die wissenschaftliche Entwicklung.
Stobbe beschreibt seinen Werdegang zum anerkannten Hämatologen. Er benutzte im großen Umfang das Phasenkontrastverfahren, sorgt für exaktere Untersuchung des Knochenmarks und gibt 1958 den „Hämatologischen Atlas“ heraus. Als Forscher sowie als Hochschullehrer genießt er einen guten Ruf.
Er wird auch im Ausland sehr geschätzt, was sich in zahlreichen Einladungen zu wissenschaftlichen Veranstaltungen ins Ausland (sogar bis Japan) zeigt. Diese Einladungen darf er auch realisieren. Nur bleiben ihm nach dem Mauerbau die Kontakte in die Bundesrepublik versagt.
Stobbe gelingt es, mit kritischer Beobachtungsgabe seine persönlichen Erlebnisse von politischen Realitäten zu trennen. Er ist nie Parteimitglied oder politische aktiv. Aber er kann seine Forschungsarbeit betreiben und seine Habilitation vollenden. was dann zur Professur führt.
Hier drängt sich der Vergleich auf mit der Autobiografie des bekannten Kinderarztes Heinrich Brückner: „Gewundene Pfade der Hoffnung“. – Er hat es als CA der Kinderklinik des Bezirkskrankenhauses trotz seiner Gradlinigkeit geschafft, wesentliche soziale und medizinische Neuerungen zu schaffen.
In beiden Fällen wird angedeutet, wie kompliziert und problemreich es für Wissenschaftler (und nicht nur die) war, sich mit ihren Ideen gegen starre Reglementierungen durchzusetzen.
Dem Autor gelingt es, seine Beschreibungen mit persönlichen Begebenheiten und Anekdoten lebendig zu untermalen. Auch die privaten, familiären Ereignisse wurden geschickt eingebunden ohne abgehackt zu wirken.
Dass der Autor sein Hobby – die Malerei – benutzt, um den Text in Form von Kohlezeichnungen oder Linolschnitten abwechslungsreich zu gestalten, verleiht diesem wertvollen Zeitzeugnis eine besonders attraktive Note.