Christoph Selter / Elena Zannetin: Mathematik unterrichten in der Grundschule
Matheunterricht erteilt wahrscheinlich jeder Lehrer anders und erlebt jedes Kind anders. Gerade in der Grundschule, in der die Lernvoraussetzungen von Kindern wahrscheinlich noch am weitesten auseinander driften, ist es besonders wichtig, dass es Lehrern gelingt, der Klasse Wege ins Reich der Mathematik zu ebnen, denn sie wird nicht nur um ihrer selbst willen gebraucht, mit ihnen werden die Schüler tagtäglich im Alltag konfrontiert und die weiterführenden, vor allem naturwissenschaftlichen Fächer bauen auf diesen Erfahrungen auf. Zu Zeiten des Lehrermangels aber unterrichten gerade auch in der Grundschule viele Lehrer fachfremd bzw. kommen Referendare ohne fundierte didaktische Ausbildung an die Schule und sollen Erfahrungen sammeln. Gerade sie brauchen das vorliegende Lehrerhandbuch aus dem der Klett-Gruppe angehörenden Verlag Kallmeyer. Es wird bereits wärmstens in den Fach- und Regionalkonferenzen empfohlen. Ältere Kollegen werden vielleicht Vorläufer dieses Buches wie Wittmanns „Handbuch der produktiven Rechenübungen“ kennen. Inzwischen wird neben Wittmann der Name Christoph Selter immer lauter. Er ist Professor für Mathedidaktik der Primarschule an der TU Dortmund. Elena Zannetin ist Grundschullehrerin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Zentrum für Lehrerbildung Mathematik tätig. Sie lassen beide nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch Kinderstimmen zum Unterricht und zu mathebezogenen Wissen und Fähigkeiten einfließen, wodurch dem Buch viel Schwere genommen wird. Man kann sagen, es gehört einer neuen Generation von Mathedidaktikbüchern an.
Grundlegender Einstieg sind für die Autoren die inhaltsbezogenen Kompetenzen, die die Kinder als Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben müssen. Neben den Erläuterungen auch geschickt tabellarisch von Klasse 2-4 dargestellt, so dass noch unerfahrene Kollegen gleich erfassen, in welchen Entwicklungsräumen welche Fähigkeiten zu erzielen sind und wie sie aufeinander aufbauen. Vertiefte Ausführungen zum Aufbau von Sachwissen und Fähigkeiten erfordern vom Lehrer den bewussten Einsatz verschiedener Darstellungsformen z.B. für die Zahlenbereiche, Größenvorstellungen oder geometrische Sachverhalte. Selter und Zannetin setzen sich damit auseinander, welche Kriterien für Veranschaulichungsmittel gelten und wie sie im Unterricht eingebaut werden müssen.
Die Vielzahl von mathematischen und mathedidaktischen Begriffen binden die Autoren dabei geschickt in typische Aufgabenstellungen aus dem Unterricht ein, so dass bei neu Unterrichtenden ein learning-by-doing erfolgen kann.
Besonders interessant waren aber für mich die Erläuterungen der Autoren, die auch im Projekt „Kira“ (Kinder rechnen anders) mitarbeiten, zu den hinter kindlichen Fehlern stehenden Denkprozessen (Stärkenorientierung statt Defizitsuche). Fehler sind ja das tägliche Brot des Mathelehrers, aber Selter und Zannetin beschreiben nicht nur „die üblichen Probleme“, sondern auch Fehler, von denen man gar nicht geahnt hätte, dass Kinder ihnen verfallen könnten. Das ist wichtig, da gerade schwache Rechner gehemmt sind und sich im Unterricht oft nicht so äußern.
Wer meint, dabei könne es sich doch nur um „Pille Palle“ handeln, der irrt. Mit einem Blick über den Tellerrand der Primarschulmathematik hinaus zeigen die Autoren kurz, wohin kindliche Denkansätze z.B. im Bereich des Potenzrechnens oder des Wurzelziehens führen.
Fazit: Spannend und flott zu lesen auch für praxiserprobte Kollegen, die sich auf den neuesten Stand bringen wollen oder für Neulinge im Bereich des Mathelehrens. Die 176 farbigen Seiten „Mathematik unterrichten in der Grundschule – Inhalte – Leitideen – Beispiele“ gibt es für 24,95 Euro überall im Handel und im Webshop der Friedrich Verlag GmbH