Sergius Golowin: Die Magie der verbotenen Märchen

In seiner Reihe “Merlins Bibliothek der geheimen Wissenschaften und magischen Künste“ stellt der Merlin-Verlag aktuelle Beiträge zur Volkskunde, Ethnologie, Archäologie und Geschichte vor.

Golowin nähert sich den Märchen in seinem in dieser Reihe erschienenen Buch von einer weitgehend unbeachteten Seite, nämlich der der Pflanzenkunde des Mittelalters. Er verweist auf die Kräuterkenntnisse der Außenseiter der Gesellschaft, der so genannten Zauberer und Hexen. Häufig verfügten sie über Jahrhunderte altes Wissen der Heilkunde und nutzten auch haluzinatorische Wirkungen pflanzlicher Drogen. Die irrealen Zeitabläufe und scheinbar fiktiven Märchenräume bekommen unter dem Einfluss der Drogeneinnahme eine neue Dimension. Könnte zum Beispiel der magische Schlaf bei Schneewittchen oder Dornröschen durch Drogen erzeugt worden sein. Der „Apfel“ von Schneewittchen wäre dann weniger ein Symbol, sondern mehr eine reale Erfahrung.

Golowin beweist eine gute Kenntnis der Primär- und Sekundärliteratur des Mittelalters, die er durch eingefügte Zitate belegen kann. Er berichtet in leserfreundlichen kurzen Kapiteln und ist bemüht seine ungewöhnlichen Thesen an den bekanntesten europäischen Märchen darzulegen. Gerade auch darum befremdet sein Ansatz manchen Leser vielleicht. Wäre es nicht geschickter gewesen, seine Thesen an den weniger bekannten, aber als eigenständiges Sujet vorhandenen „Kräuter- und Pflanzenmärchen“ auszubreiten und nur blitzlichtartig auf Elemente wie den Apfel im Schneewittchen zu verweisen?

Dennoch werden Mittelalterfreunde und Kräuterhexen gern in der „Magie der verbotenen Märchen“ lesen und unsere beliebten Volksmärchen einem argwöhnischeren Blick unterziehen als zuvor.