Sachbuch

Nadin Matthews: Duell auf offener Straße

Duell auf offener StrasseAggressionsprobleme gehören zu den häufigsten Gründen, weshalb sich Hundehalter an Trainer wenden oder Fachliteratur zu Rate ziehen. Bereits 2011 ist bei Cadmos zum Problem der Leinenaggression ein sehr lesenswertes Buch der Hundetrainerin Nadin Matthews erschienen. Es kann sicher nicht der einzige Ratgeber sein, den Hundehalter mit aggressiven Hunden zu Rate ziehen. Doch das Besondere an diesem Buch liegt darin, dass Nadin Matthews sehr ausführlich das Rollenverhalten von Hund und Mensch unter die Lupe nimmt und damit zum Nachdenken anregt. In den seltensten Fällen finden Hund und Mensch zufällig zusammen. Und selbst wenn das geschieht, dann prägen die Erwartungen des Menschen an den Hund ganz unauffällig den Alltag beider. Für die einen ist der Hund Kinderersatz, für die anderen jemand, an dem man sein Helfersyndrom befriedigen kann oder auf der ganz anderen Seite der Skala ein starker Beschützer und noch vieles mehr. Nur wenn Hundetrainer dieses Beziehungsgeflecht durchdringen können, laufen die von ihnen vorgeschlagenen Methoden und Techniken im Umgang mit Aggression nicht ins Leere. Den Hundehaltern hilft solche Diagnostik auch bei der Selbstklärung. Damit sich ihr Hund verändert, müssen auch sie sich verändern. Der aktive, humorvolle, verspielte Hundehalter, der der beste Kumpel seines Vierbeiners ist, wird es leicht haben, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, seine Neugier zu fesseln – aber nicht klar ist, ob er im Konfliktfall vom Hund als tonangebend empfunden wird. Der dominante Chef, der den Gehorsam durchsetzt, hat nicht unbedingt das Vertrauen des Hundes für den Konfliktfall. Damit sind nur zwei Typen von Haltern kurz erwähnt, die beide ihre Stärken in die Mensch-Hund-Beziehung einbringen, aber naturgemäß auch Grenzen haben.
Neben dieser Beziehungsdynamik spielt bei Aggressionsprozessen das Lernverhalten des Hundes eine Rolle. Auf seiner Grundlage erläutert Matthews die Vor- und Nachteile der verschiedenen Strategien der klassischen und operanten Konditionierung, wie Umlenken der Aggression, positive Verstärkung, negative Verstärkung u.v.m. Für dieses Kapitel braucht man erfahrungsgemäß viel Zeit, um die feinen, aber grundlegenden Unterschiede genau zu erfassen und einzuordnen.
Aus diesem Ansatz ergibt sich auch der Nachteil des Buches: Es fehlen detaillierte Trainingspläne, mit denen der Leser auch ohne Hilfe eines Trainers die Leinenaggression steuern kann. Das Buch dient eher der sehr sensiblen Reflexion des Problems und ermöglicht es, sich Hintergrundwissen für die Zusammenarbeit mit einem Trainer zu erarbeiten. Den Trainer ersetzen kann es kaum.