Kinderbuch 9-14 Jahre

Mirjam Pressler: Novemberkatzen / Wenn das Glück kommt

Im Juni 2010 hat die erfolgreiche Schriftstellerin und Übersetzerin Mirjam Pressler ihren 70. Geburtstag gefeiert. Der Kinderbuchverlag Beltz & Gelberg ehrt sie genau damit, womit man eine Schriftstellerin am besten ehrt: mit einem Sammelband ihrer beiden anerkanntesten Romane, dem ein Essay der Autorin über ihr Leben und Schreiben beigefügt wurde.

Mirjam Pressler möchte in ihrem Essay „Eine Orchidee blüht im Continen-Tal“ nicht ihr Werk erläutern, sondern eher zum Staunen einladen. Sie beschreibt ihre Lesebiografie. Denn das ist ungewöhnlich genug. Aufgewachsen in einer – wie man heute sagen würde – bildungsfernen Pflegefamilie erobert sich die kleine Mirjam mit dem Lesen eine eigene Welt. Eine Frau, die bei ihrer Pflegefamilie putzte, schenkt dem Kind mit fünf Jahren einen Reiseführer über Sankt Petersburg. Wie ist es diesem Buch gelungen, eine Fünfjährige in die Welt der Bücher zu entführen, mag man sich fragen. Von da ab liest das Mädchen, was es in die Hand bekommen kann, egal ob es für Kinder- und Jugendliche geschrieben ist oder für Erwachsene, egal ob es Literatur oder eher Schund ist. Das Kind erlebt in den Bücher tragende Funktionen von Literatur, die Völker oder Gesellschaften erleben, nämlich dass Literatur Utopie, Flucht oder Widerstand sein kann.

Mirjam Pressler bekennt sich in ihrem Essay dazu, intuitiv zu schreiben und beim Schreiben einen Klärungsprozess zu führen. Sie hält ein Plädoyer für die Hochsprache ohne mundartliche Schriftsteller zu verdammen.

Wer diesen Anhang gelesen hat, wird den im Sammelband abgedruckten Romanen „Novemberkatzen“ und „Wenn das Glück kommt…“ noch aufmerksamer entgegen treten, denn im weitesten Sinne ist die Frage, die Mirjam Pressler umtreibt: Woher nehmen Kinder, die unter widrigen Umständen aufwachsen die Kraft, moralisch zu handeln. Dass Literatur für diese Kraft, die in der Sozialpädagogik unter dem Begriff Resilienz diskutiert wird, eine besondere Bedeutung hat, wird an diesem Jubiläumsband besonders deutlich.