Lieselotte Kinskofer / Verena Ballhaus: Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war
Von der Macht der Worte und dem gefährdeten Selbstbewusstsein im Kindergartenalter erzählt ein neuer handlicher Band aus der Minimax-Reihe des Beltz-Verlages. Hauptheldin der Geschichte ist die etwa 4-jährige Marie. Als sie im Kindergarten ihre Schuhe auszieht, bemerkt Raphaela, Marie hätte große Füße. Das war vielleicht noch nicht einmal böse gemeint, aber damit beginnt das Unglück des ganzen Tages. Marie stolpert dauernd über ihre großen Füße bis sie sich schließlich an den Tisch setzt. Dort aber ist sie dem unfreundlichen Kai im Weg. Hat Marie einen zu dicken Bauch? Marie mag den ganzen Morgen nicht mehr aufstehen. Und als sie mit in Tinas Buch gucken will, schimpft diese, sie solle ihre Kartoffelnase rausnehmen. Und so geht es weiter, ihre Flossen, ihre Augen, ihre Klappe, ja selbst ihre schönen Haare sind auf einmal nicht mehr das was sie waren, sondern alles an Marie ist hässlich. Kein Zweifel. Sie ist ein Ungeheuer.
Durch Ausdrücke, die Kinder täglich gedankenlos benutzen, halten sie anderen einen Zerrspiegel vor, der verletzt und einschränkt. Ohne didaktischen Zeigefinger, sondern allein durch die Handlung macht Lieselotte Kinskofer deutlich wie die Betroffenen sich fühlen und reagieren und wie wichtig es ist, dass es Erwachsene gibt, die Kindern helfen, sich wieder im echten Spiegel zu sehen und anzunehmen. Mit dem Dauerthemen Selbstwert und Umgang mit Schimpfworten gehört auch dieser kleine Band in das Regal jeder Kita-Gruppe.