Belletristik

Horst Bosetzky: Der Teufel von Köpenick

Ist es möglich, dass jemand für 84 Frauenmorde angeklagt wird, die er nicht begangen hat?

In der Fiktion sicher. Aber in Wirklichkeit? Auch. Zumindest in der Wirklichkeit Nazi-Deutschlands. Horst Bosetzky schildert in einem dokumentarischen Krimi den authentischen Fall des geistig behinderten Bruno Lüdke, der nicht in das Bild der „deutschen Herrschaftsrasse“ passte. Wie „praktisch“ für den jungen Kriminalbeamten Heinz Franzke (tatsächlich Heinz Franz), der bereits seit Jahren ehrgeizig nach einer Möglichkeit sucht, privat und gesellschaftlich Karriere zu machen. Wenn Bruno Lüdke auch nicht viel kann, auswendig lernen konnte er schon immer. Und so motiviert ihn der Ermittler Franzke mit Zigaretten, Details von Frauenmorden auswendig zu lernen und sich schuldig zu bekennen. Waren es erst nur die Morde in Berlin-Köpenick, Lüdtkes Heimatbezirk, so verselbständigt sich der Ehrgeiz Franzkes schon bald und er leitet sein Opfer auch dazu an, Hamburger Morde zu bekennen. Während das großdeutsche Reich untergeht, scheint Franzke aufzusteigen.

Doch ein kriegsversehrter Lehrer, der ins Kriminalkommissariat versetzt wird, entdeckt bald schon Ungereimtheiten in den Protokollen. Als korrekter Lehrer will er logische Fehler so nicht stehen lassen und nimmt als Neuling selbst Ermittlungen auf. Diese führen ihn u.a. auch zu Penninghoff, dem alten Lehrer des beschuldigten Bruno Lüdke. Nicht nur, dass dieser Bruno einen ausgezeichneten Leumund verschafft, er kann auch bezeugen, dass Lüdke bereits 1940 „entmannt“ wurde. Ebenfalls aus „rassischen Gründen“. Wie kann er da zum Triebtäter werden?

Solche offensichtlichen Pannen kann sich schließlich auch das Nazi-Regime nicht erlauben. Franzke und Lüdke werden nach Wien abgeschoben. Offiziell um zu verhindern, dass Lüdtke bei einem Bombenangriff fliehen kann.

In Wien kommt der abgeschobene Franzke seinem Opfer auf einmal erstaunlich nahe. Aber es scheint zu spät, seine Fehler zu korrigieren.

Bosetzky ist ein Krimi gelungen, der Freunde von Dokumentationen ebenso wie Krimifans begeistern wird. Mit psychologischem Geschick leuchtet Bosetzky die Motivation seiner Figuren bis ins kleinste Detail aus und fügt sie sicher ins historische Umfeld ein. Der Berliner und Wiener Dialekt in den Dialogen verleihen der aktionreichen Handlung zusätzlich Authetizität und einen Schuss Humor.

„Der Teufel von Köpenick“ ist 2009, 65 Jahre nach dem Mord an einem geistig Behinderten, im Jaron-Verlag erschienen.