Gert Scobel / Ayano Imai: Wie Niklas ins Herz der Welt geriet
Genauso wie es wahr ist, dass große Literatur kein Wort zu viel verliert, so kann man auch sagen, dass große Literatur gelungen ist, wenn der Autor immer noch einen Satz hinzufügen kann, ohne dass er seinen Text verflachen lässt.
Gert Scobel ist das in seinem poetischen Buch „Wie Niklas ins Herz der Welt geriet“ gelungen. Darin begegnen sich ein kleiner Junge und ein alter Mann, die beide das wichtigste in ihrem Leben verloren haben: der eine seinen Hund Lola, der andere seine Frau Marta. Für beide geht das Leben weiter. Niklas hat es zwar aufgegeben, sich unter seiner Decke zu verkriechen und er kann auch wieder mit seinen Freunden im Schnee toben, doch trotzdem denkt er immer wieder auch an Lola. Es geht ihm mit ihr wie seine Lehrerin es über die welken Blumen gesagt hat, von denen sie im Herbst das Schulbeet säuberten. Manchmal merkt man erst wie schön etwas ist, wenn es weit weg ist. Die Erinnerungen, die der alte Mann und Niklas austauschen bringen sie einander und ihrem Verlust wieder nahe und das Erzählen hilft Niklas, allem seine Ordnung zu geben. Er entdeckt Bilder für Sehnsucht und er lernt wieder das Leben anzunehmen – es gut zu heißen, mit all seiner Freude und all seinem Schmerz.
„Wie Niklas ins Herz der Welt geriet“ ist sowohl durch den Text als auch durch die feinen dreifarbigen Illustrationen von Ayano Imai ein (Kinder)-Buch für ganz besondere Leser. Es ermutigt Gefühle zuzulassen und schenkt ihnen Bilder. Dabei sind diese Bilder, wie der Baum, der sich in die Unendlichkeit des Winterhimmels reckt, nicht neu. Doch die Worte, in die sich das Bild kleidet, sind so zart wie der Raureif auf den Knospen der Zweige. Immer wieder meint man bei diesem kurzen Text: Jetzt hat der Autor seinen kleinen Helden an einen Punkt geführt, der poetischer nicht ausklingen kann. Und doch dreht er den Moment noch zwei oder drei Mal und lässt uns staunen darüber, was Niklas noch erkennen kann.
„Wie Niklas ins Herz der Welt geriet“ ist bei Bloomsbury im Herbst 2008 erschienen.