Belletristik

Frank Geerk: Geflüsterte Pfeile – Lyrik der Indianer

Was erwartet ein Leser, der einen Band moderner Indianerlyrik aufschlägt? Indianer – in dem Begriff schwingen auch noch über ein Jahrhundert nach dem großen Massaker am Wounded Knee die Werte Unabhängigkeit, Überlebenskampf und Spiritualität mit. Werte, die in der westlichen Zivilisation verschüttet sind. Lyrik ist in ihrem Ursprung diesen Werten immer sehr nah gewesen. Darum vielleicht die Hoffnung, in indianischen Versen einen Weg zu diesen verschütteten Werten aufgezeigt zu bekommen.

In der Sprache an sich unterscheiden sich die in deutscher und englischer Fassung vorgelegten Texte kaum von moderner prosaischer Lyrik zu unterscheiden. Viele indianischer Lyriker sind heute Hochschulabsolventen und haben neben ihrer Kultur auch unsere – oder zumindest die amerikanischen – Klassiker bestens studiert. Umso beeindruckender ist es zu lesen, welche Macht die spirituellen Orte wie die Heiligen Felsen oder Dinge wie der türkisblaue Stein nach wie vor auf die Identität der Lyriker ausüben. Sie werden ebenso immer wieder beschworen wie die Verbindung zu den Ahnen, einer Großmutter zum Beispiel, die allein in der Lage ist, nächtliche Ruhe zu geben.

„Geflüsterte Pfeile“ sind aber neben aller Spiritualität und Poesie auch ein politisches und kämpferisches Bekenntnis. Nicht umsonst werden die lyrischen Texte eingerahmt von einem kurzen Statement von Russell Means, dem bekannten Führer der indianischen Unabhängigkeitsbewegung AIM sowie Botschaften spiritueller Führer an die europäischen Nationen. Diese Botschaften beschwören die Stärke eines dem Untergang widerstehenden Volkes durch seine Suche nach spirituellen Gemeinsamkeiten. Aus der Besinnung heraus ist es auch möglich, die Hände zu allen Bundesgenossen auszustrecken.

Geflüsterte Pfeile liegt inzwischen im Von Loeper Verlag in der dritten Auflage vor.