Belletristik

Edvard Hoem: Der Heumacher

Edvard Hoem stellt wieder eine Person aus seiner Familiensaga in den Mittelpunkt seines nunmehr dritten Romans: den Mäher Knut Nesje, der in Norwegen etwa Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts lebte. Er ist ein Mann der alten Schule, tief verwurzelt in seiner Heimat und im landwirtschaftlich geprägten Berufsleben. Fünf Kinder hat Nesje, aber drei von ihnen bleiben nicht auf dem Hof, der die Elterngeneration mehr schlecht als recht ernähren kann. Nesje „war ein Mann, der durch seine aufrechte Haltung auffiel. Wenn er aus der Stadt kam und nach Rekneslia hinausging, zog er meist einen Handwagen hinter sich her … aber selbst dann versuchte er, ebenso aufrecht zu gehen wie ein Sekondeleutnant … Gleichzeitig verbeugte er sich tief vor allen, die im Rang über ihm standen. den beiden Söhnen, die immer noch bei ihm zu Hause wohnten, versuchte er einzuprägen, dass sie stolz sein sollten, aber nicht hochmütig, demütig, aber nicht bescheiden, freimütig, aber nicht dreist, selbstbewusst, aber nicht überlegen, standhaft, aber nicht trotzig. … Die Weisheit des Heumachers war die Weisheit der Mäßigung. Er war jemand, der sich nicht selbst hervorheben, aber auch nicht erniedrigen wollte – jemand, der sich das Recht nahm, aber nichts an sich raffte, jemand, der zu seinem Wort stand, auch wenn andere es nicht taten.“ – Nesje Kämpfe – sowohl mit der Natur als auch mit sich selbst – spiegeln die Kämpfe einer ganzen Generation wider, die zwischen Tradition und Moderne gefangen ist.

Neben Nesje baut der Erzähler eine weitere Person aus seiner Familie stark auf. Es ist Gjertine, die sich anderes als Nesje dafür entscheidet, mit ihrem Mann und Kindern nach Amerika auszuwandern wie viele in dieser Zeit. Einmal angekommen müssen sie feststellen, dass das Leben dort auch nicht unbedingt leichter ist. Ihr Mann Ole ist Sattelmacher, doch ihm bleiben nur wenige Jahre seine Kunst auszuüben, dann wird sein Handwerk von einer großen Fabrik verdrängt.

Hoems Prosa ist poetisch und atmosphärisch dicht. Die Beschreibungen der Natur, der Arbeit auf den Feldern und des einfachen Lebens in Norwegen sind so lebendig, dass man sich als Leser direkt in das dörfliche Leben hineinversetzt fühlt. Der Roman vermittelt eindrucksvoll die harte Arbeit und die Herausforderungen, die das Leben in dieser Zeit mit sich brachte, ohne dabei in Sentimentalität zu verfallen.

Besonders beeindruckend ist Hoems Fähigkeit, das Innenleben seiner Charaktere darzustellen. Die inneren Monologe, die Zweifel und die Träume, die Hoffnungen und die Ängste der Figuren werden so eindringlich geschildert, dass man als Leser eine tiefe emotionale Bindung zu ihnen aufbaut. Diese emotionale Tiefe macht den Roman zu einem bewegenden Leseerlebnis. Besonders der Schluss ist ein Meisterwerk. Nesje sieht alle seine Kinder im Traum nach Hause kommen und geht darüber hinaus ganz in seiner Arbeit auf. Großartiger als Hoem diesen Schluss schildert, kann Literatur nicht enden.

Hoems Familiensaga – auf Schreibfeder.de hatten wir ja auch schon „Der Geigenbauer“ vorgestellt – ist eine Saga für alle, die sich auf eine langsame, aber tiefgründige Erzählweise einlassen wollen und Interesse an historischen Themen haben. Die Kenntnis der anderen Teile ist nicht zwingend nötig, um dem Romangeschehen folgen zu können. „Der Heumacher“ ist bei Urachhaus (ISBN: 978- 3- 8251-5370-0) erschienen und kostet 28,00 Euro.

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