Belletristik

Edvard Hoem: Der Geigenbauer

Die skandinavischen Krimiautoren kennt wohl jeder, Kinderbuchinteressierte werden auch die Namen begonnen von Astrid Lindgren bis Ulf Stark nennen – spätestens jetzt reiht sich in die skandinavische Literatur auch Edvard Hoem ein. Von ihm erschien bereits „Die Hebamme“, aber Kritiker sind sich einig, dass er mit seinem Roman „Der Geigenbauer“ sich selbst ein Denkmal gesetzt hat.

Man konnte meinen: Was geht uns das Leben um 1800 in Norwegen an? Die Kindheit des Lars Olsen durchsonnt von seinem großen Bruder Pe, der ihn auf dem Rücken trägt und die Magd Guri singt ihm in den Arbeitspausen Lieder vor. In Lars wächst der Gedanke heran, Geige zu spielen. Sein Vater rät ihm ab, er hätte zu grobe Finger fürs Geigenspiel. Da geschieht ein Unglück. Guri verschwindet spurlos und Pe wird verdächtigt sie ermordet zu haben. Aber er streitet alles ab. Die Untersuchungen ziehen sich über Jahre hin. Man kann ihm die Tat nicht nachweisen, und die Anschuldigungen werden fallen gelassen. Aber die Brüder haben sich über die Jahre entzweit. Doch Lars hält nichts mehr in seinem Heimatdorf. Er träumt davon Skipper auf einer eigenen Schute zu werden. Als er als Matrose anheuert, muss er als Matrose in die Schlacht von Kopenhagen ziehen. Aus dem Kriegsgefangenenschiff kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung: Er lernt einen französischen Geigenbauer kennen, der ihm die Geheimnisse seiner Kunst weitergibt. Von da ab, träumt Lars nur noch davon Geigen zu bauen. Doch er kann sich über den Alltag nur langsam seinem Traum nähern. Er ist eben nicht ein Stradivarius, der mehrere Gehilfen zur Hand hat und bei dem die edelsten Hölzer gleich vor der Tür wachsen. Er ist ein Bauernsohn, dem nicht die Idee kommt, zu fragen, ob das Schicksal gerecht ist.

Edvard Hoem ist tief in seine Familiengeschichte eingetaucht, hat Kirchenbücher und Gefangenenlisten studiert ohne alle Rätsel lösen zu können. So hat er die wesentlichen Eckdaten für seinen Roman zusammen bekommen. Den Rest musste poetische Fiktion füllen. Er nimmt die Sprache der Zeit auf, ohne den heutigen Leser vor den Kopf zu stoßen. Es gelingt ihm mühelos, einen unglaublichen Spannungsbogen über 250 Seiten zu halten und die Erzählung noch darüber hinaus fortzuführen.  Deshalb berührt uns das Leben eines uns unbekannten Geigenbauers noch heute, auch wenn uns der Sinn nicht nach Geigenbau, Klippfischfang und Schlachtgetümmel steht. Aber wahrscheinlich kennt jeder von uns die Situation, dass man sich in der Jugend zu etwas berufen fühlte, was sich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht verfolgen ließ. Es ist ein Buch, das auf völlig undidaktische Weise ermutigt, seine Träume im Alltag zu leben.

Der Geigenbauer ist bei Urachhaus 2022 für 26,00 Euro erschienen.

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