Belletristik

Hanni Münzer: Honigtot

„Honigtot“ ist ein ebenso zu Herzen gehender wie klarer Roman über die Verbrechen des Holocaust, dem ein Rezensent eigentlich nichts hinzuzufügen hat. Inzwischen haben sich auch schon viele Leser dazu begeistert geäußert.

Im Mittelpunkt steht die Familiengeschichte der Halbjüdin und Pianistin Deborah Malpran. Ihre amerikanische Enkelin nimmt die Nachforschungen nach ihr 2012 auf. Die Autorin Hanni Münzer hat die handelnden Personen, vor allem der obersten Führungsriege des Naziregimes nach biografischen Vorlagen, gestaltet. Der in eine Gegenwarts-Rahmenhandlung eingebettet historische Roman schildert zunächst die heranwachsende Pianistin und junge Gattin eines jüdischen Arztes, Elisabeth Malpran. Zum Ende der 20iger Jahre in München scheint ihr eher das Flair einer unpolitischen Künstlerin im Elfenbeinturm anzuhaften. Deborah ist ihre Tochter, ein kleiner Sohn folgt. Doch den sich verschärfenden politischen Demütigungen und Verfolgungen muss auch sie sich stellen. Gemeinsam mit ihrem Mann Gustav und den Kindern will sie kurz vor Ausbruch des Krieges aus Deutschland fliehen. Dazu kommt es jedoch nicht mehr. Gustav verschwindet und kann nicht wieder aufgefunden werden. Um sich und die Kinder zu schützen geht Elisabeth Malpran eine Beziehung zu einem hochrangigen SS-Offizier, Albrecht Brunnmann, ein. Doch die tatsächlichen und emotionalen Belastungen setzen ihr zu und kurz nach der Heirat verstirbt sie. Ihre 17-jährige Tochter, Deborah, selbst eine hervorausragende Pianistin setzt den Weg ihrer Mutter fort, mit vereitelten Fluchtversuchen und der Beziehung zu Albrecht Brunnmann. Auch sie will ihren kleinen, nicht nur halbjüdischen, sondern auch körperlich eingeschränkten Bruder schützen.

Eine starke Wendung nimmt der Roman als Deborah, die ihren Gatten auf seinen Dienstreisen durch Europa begleitet, die junge Widerstandskämpferin Marlene kennen lernt, die ebenfalls getarnt als Geliebte eines Nazi-Offiziers lebt.

Hanni Münzer schildert in ihrem Roman sehr emotional die Bedrohung der jüdischen Familien und ihre Versuche, sich und ihre Familienangehörigen zu retten. Daneben spielt die Freundschaft der so ungleichen Frauen Deborah und Marlene sowie ihr geheimer Widerstandskampf eine große Rolle. Auf Grundlage einer sehr guten Recherche, für die ihr privat auch Briefe Adolf Hitlers zugänglich waren, hat Hanni Münzer das Geschehen am Rande der SS-Führungsriege fiktiv verarbeitet und schafft mit vielen unerwarteten Wendungen Spannung und Betroffenheit zugleich. Ihre Rahmenhandlung bindet das historische Geschehen nicht nur an die jüngste politische Vergangenheit, sondern zeigt einmal mehr, wie die Verstrickungen in die Naziherrschaft auch psychologische Probleme in Familien der Gegenwart projizieren, die unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit den Betroffenen nicht klar werden können.

Die Verfilmung einer solchen Vorlage dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

Hanni Münzers „Honigtot“ ist im Frühjahr 2015 als Taschenbuch bei Piper erschienen.