Belletristik

Andreas Laudert: In diesem Leben

Bereits 2007 erschien von Andreas Laudert ein kleiner Band mit Episoden unter dem Titel „In diesem Leben“, der es aber scheinbar nicht in die Hände oder Herzen von Rezensenten geschafft hat. Woran könnte das liegen?

Vor gut 10 Jahren erschien ein erster Gedichtband (siehe Archiv), ein Roman und auch auf regionalen Theaterbühnen wurde Laudert bemerkt, der dann aber persönlich einen neuen Weg einschlug und Priester der Christengemeinschaft wurde. So wie man ihn auch im Studium oder literarischen Kreisen kannte, war er dort ein ebenso streitbarer, um Erneuerung der antroposophischen Anschauung kämpfender Geist.

Dabei also der Band „In diesem Leben“ mit sehr kurzen Episoden, die anmuten, als seien sie geeignet, zwischendurch gelesen zu werden. Nichts aber liegt ihnen ferner. Der Klappentext beschreibt sie als Schwellentexte, als etwas wie Beicht- oder Selbstgespräche. Das liegt vielleicht nahe bei einem Autor mit dem Lebenshintergrund eines Priesters. Doch Autoren reduzieren sich nicht auf einen möglichen (Brot)-Beruf. Beichtgeheimnisse oder Therapiegespräche stehen gemeinhin unter Verschluss. Selbstgespräche sind nicht unbedingt literarisch (das räumt der Autor im Vorwort ein). Von einem Autor Mitte vierzig darf man mehr erwarten als intellektuelle Spielereien. Vor allem aber darf man auch Genauigkeit erwarten: „Ich gehe davon aus, dass mein Leben mit einem Komma enden wird, wie alle Geschichten.“ Welche Geschichte, die wir je gelesen haben, hat mit einem Komma geendet? (Und auch ausgerechnet dieses Zitat schafft es auf den Klappentext.)

Bereits mit dem Vorwort stellt sich die Frage, was der Autor und da erklären möchte. „Sie (die Texte – Anm.d.R.) sind alle aus der Perspektive des Ich geschrieben – nicht zwangsläufig des Ich des Autors, auch nicht des Ich bestimmter Vorbilder aus der Realität. Das erinnert ein wenig an jenes Paradox mit dem Mann aus Kreta, der sagt: Alle Kreter lügen.“

Was für ein Ich kommt nun in den Texten zu Wort? Häufig ist es ein Ich das einräumt, dass andere es für bösartig, heuchlerisch, tyrannisch, kalt halten könnten, obwohl es ehrlichen Herzens genau die Gegenseite der Waage anstrebt. Aber „Alle wissen, was sie wollen. Ich möchte wollen können, was ich weiß.“ Das sind so die Wahrheiten, die man studentischer Literatur noch zugesteht. Bestenfalls haben sie in einem Episodenband wie hier ihren Raum. Das hieße aber auch, der Band bleibt meist zurück hinter dem Roman „Die Unentschiedenen“ oder den Gedichten. Was wie eine kostbare Perle heraus fällt ist die kleine Erzählung „In Kana“ oder auch „Entwicklungen“. Auch die Liebeserzählung „In Kana“ beginnt eher beiläufig. Während SIE sich wunderbar erholen kann und Ruhe findet, um über den Alltag hinaus zu denken, empfindet ER es eher als komplizierte Aufgabe, dem Sinn des Urlaubs nahe zu kommen. Aber ausgerechnet ER gerät in eine israelische Hochzeitsfeier und die Schwester der Braut. „Die Schwester lächelt. Alles, was zwei Menschen gemeinsam haben, liegt in der Zukunft. Es kommt darauf an, die Zukunft zu sich her zu bitten. Sonst ruht man nur auf etwas Altem.“ Natürlich endet auch „In Kana“ für den Erzähler paradox. Aber hier gehört die Tragik zur Poesie. (Und genau für diesen Text wandert der schmale Band auch in mein Buchregal und nicht in die Kiste mit den zu vertickenden Büchern – Anm.d.R.). Alles andere ist Spielerei.