Isabelle Maroger: Lebensborn
Auf genremäßig ungewöhnliche Weise begibt sich Isabelle Maroger auf eine sehr persönliche Spurensuche: Die französischstämmige jugendliche Hauptheldin Isa entdeckt zufällig, dass ihre Mutter in einem „Lebensborn‑Heim“ geboren wurde – einem NS‑geführten Heim zur „Züchtung“ sogenannter „arischer“ Kinder in Norwegen. Als sie ihre Mutter damit konfrontiert, reagiert sie zunächst schroff abweisend, was Isa gar nicht verstehen kann. Der Krieg ist zwar 1945 gerade erst beendet, aber die deutsche Abstammung der Lebensborn-Kinder macht sie zur Paria der Gesellschaft. Viele von ihnen wurden in Heime gesteckt und misshandelt. „Deutsch“ zu sein war ein Schimpfwort. Das alles hat Isas Mutter mit verständnisvollen Adoptiveltern hinter sich gelassen, als es die Ich -Erzählerin Isa durch eine Bemerkung über ihren Schulunterricht hervorholt. Aber dank des Internets begibt sich die Familie auf die Suche nach ihren Wurzeln.
Die Autorin wählt das Format einer Graphic Novel – ein bewusst leicht zugängliches Medium -, aber es geht ihr keineswegs um oberflächliche Unterhaltung. Die Zeichnungen sind eher schlicht gehalten, Farben und Ausgestaltung schaffen die ambivalente Atmosphäre, die gut zu der Spurensuche passt. Der gegenwärtige Erzählstrang wird farbig wiedergegeben, die zurückliegende (Nazi)-Vergangenheit schwarz-weiß.
Isabelle Maroger gelingt es durch ihre Familiengeschichte die Verbindung mit einem wenig bekannten Kapitel der NS‑Zeit darzustellen. Für jugendliche LeserInnen, die über das Thema „Lebensborn“ wenig wissen werden, kann das Buch ein verständlicher, aber nicht verharmlosender Einstieg sein, den sie aber bestimmt zweimal lesen müssen, um die unterschiedlichen Zeit- und Generationenebenen zu erfassen.
Für alle, die sich mit Themen wie Herkunft, Verantwortung und Erinnerungskultur auseinandersetzen möchten – sei es historisch, biografisch oder zeichnerisch – ist dieses Buch zu empfehlen. Es regt an, nachzufragen, zu verstehen und mitzufühlen.
Isabelle Marogers Buch „Lebensborn“ ist bei Helvetiq (ISBN: 978-3-03964-113-0) und kostet 22,00 Euro.
