Jugendbuch

Werner J. Egli: Flucht aus Sibirien

Der jugendliche Nikolai verlässt sein zu Hause mit dem trinkenden Vater, um seine Schwester Annamaria zu suchen, die bereits einige Jahre zuvor aus dem Dorf geflohen ist, um ihr Glück in Moskau zu machen. Aus einem kleinen Dorf muss Nikolai zuerst durch die sibirische Taiga wandern, um in Wladiwostok möglichst unbemerkt in einem Güterzug heimlich nach Moskau mitgenommen zu werden. Hätte Nikolai vermuten können, wie gefährlich dieser endlos scheinende Weg ist, wäre er vielleicht gar nicht aufgebrochen. Doch einmal unterwegs, kann ihn nichts davon abhalten, nach seiner Schwester zu suchen. Er fällt skrupellosen Jägern in die Hände, wird in Wladiwostok von einer Zuhälter-Bande bedroht und gerät mehrfach in Gefahr im Zug von der Miliz entdeckt zu werden. Moskau erreicht er nur, weil es aber immer wieder auch Menschen gibt, die zwar auch nicht mehr haben als Nikolai, ihn aber dennoch unterstützen. Der halbblinde Dimitri, der seine Freunde aktiviert, um Nikolais Partnerin Alexandra zu finden oder ein Moskauer Taxifahrer, dem es gelingt, Nikolais Schwester, die längst geheiratet und einen neuen Namen hat, ausfindig zu machen.

Egli erzählt eine extrem spannende Geschichte über eine abenteuerliche Reise in die Hauptstadt eines sich stark gewandelten Landes. Sein Blick liegt dabei vor allem auf den Verlierern der politischen Veränderungen, die sich aber eines bewahrt haben: ihre Mitmenschlichkeit. Besonders berührend gelungen ist Egli die Verbindung zwischen dem Haupthelden und der schönen Aleksandra, die auf ihrer Flucht in die Hauptstadt eng zusammenwachsen und zwischen Nikolai und seinem kleinen Hund Tol.

Am Ende stellt sich heraus, das sich der Traum von Nikolais Schwester erfüllt hat, zu den Reichen des Landes zu gehören, sie aber ohne Nikolai fast vergessen hätte, woher sie kommt. Die spannenden Begegnungen Nikolais mit ihrem Auf und Ab tragen stellenweise fast märchenhaften Charakter, der vielleicht durch die russische Atmosphäre hervorgezaubert wird oder durch die Polarisierungen, die der Autor sucht. Ein Buch, das gerade jugendliche Leser atemlos verschlingen werden, in dem man sich aber ein wenig mehr Hintergrund wünschen würde.